Aktuelle Fragen rund um PFAS: Interview mit Experte Dr. Ian Ross

Aktuelle Fragen rund um PFAS: Interview mit Experte Dr. Ian Ross
von Ian ross PFAS Practice Leader
Dr. Ian Ross, PFAS Practice Leader bei CDM Smith, entwickelt seit mehr als drei Jahrzehnten innovative Lösungen für einen kosten­ef­fi­zi­en­te­n Umgang mit konven­tio­nel­len und neuen Schad­stof­fen. 2005 begann er mit der Bewertung von Behand­lungs­op­tio­nen für PFAS und ist seit zehn Jahren in einer globalen Rolle mit Schwerpunkt auf PFAS tätig. Im Interview beant­wor­tet er aktuell wichtige Fragen rund um die Schad­stoff­gruppe der Per- und Polyfluorierten Alkylsubstanzen.

Wo sehen Sie zukünftig den größten Hand­lungs­be­darf im Umgang mit PFAS?

Ross: Eine wichtige Maßnahme sollte die sofortige Einschrän­kung von nicht-wesent­li­chen Verwen­dun­gen wie z. B. Kosmetika, Spülmittel, Autowachse oder Toilet­ten­pa­pier sein. Entschei­dend ist der Fokus auf gewerbliche und häusliche Verwen­dun­gen, die zu Einlei­tun­gen in Kläranlagen führen. Dieser würde dazu beitragen, eine Konzen­tra­tion von PFAS in Klär­schläm­men und ihre Ausbringung als Düngemittel auf Nutz­pflan­zen zu verhindern. So würde auch die Gefahr reduziert, dass PFAS in Milch­pro­dukte gelangen.
Hand­lungs­be­darf besteht auch im Nachweis von PFAS. Es wäre wichtig, Non-Target-Analysen durch­zu­füh­ren, mit denen PFAS-Konzen­tra­tio­nen umfassend bewertet werden können, im Gegensatz zur Verwendung einer Liste von nur 120 Ziel­ver­bin­dun­gen. Es gibt potenziell Tausende von PFAS, für deren Nachweis mehrere Non-Target-Analy­se­me­tho­den zur Verfügung stehen. 

Gehen die euro­päi­schen Vorschrif­ten zur PFAS-Problematik Ihrer Meinung nach in die richtige Richtung?  

Ross: Die euro­päi­schen Vorschrif­ten gehen in die richtige Richtung, da sie Beschrän­kun­gen für Produkte, die PFAS enthalten, auf der Grundlage der wesent­li­chen Verwendung kombinieren. Es gibt auch Vorschrif­ten, die sich auf die Summe aller im Wasser nach­ge­wie­se­nen PFAS konzen­trie­ren, die unter 0,5 Mikrogramm pro Liter liegen sollte. Dabei ist eine Kombination chemischer Analys­e­in­stru­mente wahr­schein­lich am effek­tivs­ten und wirt­schaft­lichs­ten, wenn sie in einer logischen Reihenfolge zum Screening und zur Iden­ti­fi­zie­rung von PFAS eingesetzt werden. Es existiert ein breites Spektrum an PFAS mit unter­schied­li­chen physi­ka­li­schen und chemischen Eigen­schaf­ten. Einige davon sind extrem giftig und andere werden dagegen als Thera­peu­tika eingesetzt. Daher müssen einzelne PFAS unter Berück­sich­ti­gung ihrer bekannten Eigen­schaf­ten bewertet und reguliert werden. 

Was halten Sie von Restrik­tio­nen bei der Verwendung von PFAS?  

Ross: Wenn ein wesent­li­cher Bedarf an PFAS besteht, es keine wirksamen Alter­na­ti­ven gibt und sie nicht dispersiv eingesetzt werden (z. B. als Feuer­lösch­schaum), dann stellt sich die Frage nach Beschrän­kun­gen, bis Alter­na­ti­ven gefunden wurden. Wenn die Alter­na­ti­ven jedoch auch extrem persistent sind, wie z. B. Siloxane, ist es ratsam, sie zu vermeiden. Das Konzept des wesent­li­chen Verwen­dungs­zwecks ist entschei­dend für die Anwendung von PFAS-Beschrän­kun­gen, wobei mehrere Verwen­dungs­zwe­cke mögli­cher­weise nur begrenzte Auswir­kun­gen auf die Umwelt haben. Wenn jedoch die Hersteller von PFAS für die Lebens­zyklus­kos­ten ihrer Produkte verant­wort­lich gemacht werden, könnte dies einen Inno­va­ti­ons­an­reiz für den Wechsel zu weniger toxischen, biologisch abbaubaren und natürlichen Alter­na­ti­ven darstellen. Viele Produkte enthalten PFAS, obwohl es glaub­wür­dige Alter­na­ti­ven gibt, z. B. wasser­dichte Stoffe für den Außen­be­reich, die mit natürlichen Wachsen hergestellt werden.

Wie sieht es mit konta­mi­nier­tem Boden aus? Gibt es erschwing­li­che Methoden zur Behandlung von PFAS-belastetem Boden? 

Ross: Für den Umgang mit PFAS-belasteten Böden gibt es verschie­dene Sanie­rungs­tech­no­lo­gien. Dazu gehören thermische Verfahren, die viel­ver­spre­chend, aber teuer sind, und Luft­e­mis­sio­nen, die anhand von chemischen Non-Target-Analysen sorgfältig bewertet werden müssen. Die Boden­sta­bi­li­sie­rung kann ein prag­ma­ti­scher Ansatz sein, um die Auslaugung von PFAS aus Böden zu verhindern. Aber es gibt keine Lang­zeit­stu­dien, die zeigen, dass eine Reihe von PFAS über Jahre hinweg stabi­li­siert bleibt. Bodenwäsche kann ebenfalls angewandt werden. Jedoch wurden noch keine umfassenden Bewertungen des Spektrums von PFAS in Verbindung mit Böden durch­ge­führt, um den Erfolg zu bewerten. Die mit der Bodenwäsche verbundenen Wasser­auf­be­rei­tungs­tech­no­lo­gien müssen mögli­cher­weise mehrere Ansätze umfassen, um eine Reihe von PFAS zu behandeln.

Welche Ansätze gibt es derzeit für die Behandlung von PFAS-belastetem Wasser? 

Ross: Es gibt verschie­dene Methoden für die Behandlung eines breiten Spektrums an PFAS, wie z. B. die Nano­fil­tra­tion oder die Umkeh­ro­s­mose. Diese können teuer sein und führen zu konzen­trier­tem Abfall als Ausschuss, der dann behandelt werden muss, um die darin enthaltenen PFAS zu zerstören. Dies kann durch eine Reihe von Ansätzen in einer Behand­lungs­kette erreicht werden. Mehrere Wasser­auf­be­rei­tungs­tech­no­lo­gien sind in der Lage, eine bestimmte, aber potenziell begrenzte Anzahl von PFAS zu entfernen, z. B. Aktivkohle. Dagegen können Ionen­aus­tau­scher­harze eine breitere Palette von PFAS entfernen. Diese Arten von adsorptiven Behand­lungs­an­sät­zen wurden jedoch noch nicht auf das gesamte Spektrum der PFAS untersucht, welche voraus­sicht­lich durch Umkeh­ro­s­mose entfernt werden können.

Zu unserem Team gehören weltweit anerkannte Expert*innen, die an innovativen Lösungen für die Wasser­auf­be­rei­tung arbeiten, während sie gleich­zei­tig als Berater unpar­tei­ischen Rat zu der Behandlung verschie­de­ner PFAS anbieten.
Dr. Ian Ross, PFAS Practice Leader

Wie setzt sich CDM Smith auf dem Gebiet der PFAS ein? 

Ross: CDM Smith leistet mit über 60 finan­zier­ten Forschungs- und Entwick­lungs­pro­jek­ten an mehreren Fronten Pionier­ar­beit zur Unter­stüt­zung des PFAS-Managements. So waren wir beispiels­weise die ersten, die Kombi­na­tio­nen innovativer Tech­no­lo­gien wie die Schaum­frak­tio­nie­rung einsetzten, um eine Reihe von PFAS zu konzen­trie­ren, bevor sie durch elek­tro­che­mi­sche Oxidation zerstört werden. Weitere Behand­lungs­stränge mit Membran­fil­tra­tion, Schaum­frak­tio­nie­rung und zerstö­ren­der Behandlung mit hydro­ther­ma­len Alkalien (HALT) sind in der Entwicklung. Unsere technischen Mitarbeiter waren die ersten, die auf kommer­zi­el­ler Basis Non-Target-Methoden für Stand­ort­un­ter­su­chun­gen einsetzten und ein Verständnis für nicht-wässrige Festphasen (NAPS) von PFAS in Form von Flüs­sig­kris­tal­len entwi­ckel­ten, die im Inneren von Feuer­lösch­sys­te­men adsorbieren.

Wir haben vier vom US-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rium finanzierte Projekte, die sich auf die Auswir­kun­gen von PFAS auf Beto­no­ber­flä­chen konzen­trie­ren, Behand­lungs­an­sätze erforschen und die Gründe für die hohe PFAS-Belastung von Beto­no­ber­flä­chen untersuchen. Vor kurzem haben wir die PFAS charak­te­ri­siert, welche sich in Klär­schläm­men von Kläranlagen in den USA anreichern, und wir haben patentierte Ansätze entwickelt, um die regulierten PFAS durch einfache Anpassung der Klär­an­la­gen­ab­läufe zu entfernen und zu konzen­trie­ren. Andere Arbeiten umfassen die Suche nach PFAS-Quellen unter Verwendung mehrerer unterschie­dlicher Analys­e­in­stru­mente, um PFAS zu iden­ti­fi­zie­ren. 

 

Benjamin Bartsch Benjamin Bartsch
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